
Berlin, aktualisiert am 12. Februar 2025 – Jeder kennt große Volkskrankheiten wie Diabetes, Grippe oder Rückenschmerzen. Erkrankungen wie Mukoviszidose, Lungenhochdruck und Akromegalie sind dagegen weniger geläufig, weil nur wenige Menschen davon betroffen sind. Sie gehören zu den Seltenen Erkrankungen. Auf dieser Seite lesen Sie, was eine Seltene Erkrankung ausmacht und welche Herausforderungen sich für Betroffene, Ärzte und Ärztinnen ergeben.
Was sind Seltene Erkrankungen?
Es gibt keine weltweit einheitliche Definition für Seltene Erkrankungen. In der Europäischen Union und in Deutschland gelten Krankheiten als selten, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen davon betroffen sind. Außerdem muss die Erkrankung lebensbedrohlich sein und chronisch verlaufen – es handelt sich also um eine bleibende Erkrankung, die nicht vollständig ausheilt.
Seltene Erkrankungen gehen häufig mit körperlichen oder geistigen Behinderungen einher. Viele schränken die selbstständige Lebensführung und Teilhabe sowie die Lebenserwartung ein. Wenn die Erkrankung nicht mehr als einen von 50.000 Menschen betrifft, gilt sie in Deutschland sogar als sehr selten.
Viele der Seltenen Erkrankungen kommen jedoch noch deutlich vereinzelter vor. Eine Datenbank-Analyse zeigt, dass 85 Prozent der Seltenen Erkrankungen weniger als einen von einer Million Menschen betreffen.
Was ist ein Syndrom?
Viele Seltene Erkrankungen sind Syndrome. Ein Syndrom beschreibt eine Kombination von verschiedenen Krankheitssymptomen, die üblicherweise gleichzeitig und gemeinsam auftreten. Dabei lassen sich die Symptome oft nicht auf eine konkrete Ursache zurückführen. Ein bekanntes Beispiel für ein Syndrom ist Demenz: Diese Erkrankung macht sich oft durch Vergesslichkeit und abnehmendes Denk- und Orientierungsvermögen bemerkbar. Meist ist aber nicht klar, was diese Beschwerden genau verursacht hat.
Was sind seltene Erkrankungen?
Mit dem Begriff Seltene Erkrankungen wird eine Vielzahl unterschiedlichster Krankheiten zusammengefasst. Was sie verbindet? Ihre Seltenheit! In der Europäischen Union gilt eine Erkrankung als selten, wenn nicht mehr als 5 von 10.000 Menschen an ihr erkrankt sind. Ist höchstens eine von 50.000 Personen betroffen, spricht man von Sehr Seltenen Erkrankungen. In beiden Fällen gibt es also verhältnismäßig wenig Erkrankte. Nimmt man aber alle Menschen mit Seltenen Erkrankungen in Deutschland zusammen, so sind das mehr Menschen, als in Berlin wohnen: rund vier Millionen!
Die meisten Seltenen Erkrankungen sind nicht heilbar. Oft treten sie bereits im Kindesalter oder in der Jugend auf. Über die meisten ist auch noch wenig bekannt. Daher dauert es oft lange, bis sie diagnostiziert werden.
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Wie häufig treten Seltene Erkrankungen auf?
Jede einzelne Seltene Erkrankung für sich genommen betrifft nur wenige Menschen. Wenn man alle Seltenen Erkrankungen zusammenfasst, ist allerdings eine große Gruppe von Menschen davon betroffen. Von allen bekannten Erkrankungen ist etwa jede vierte selten.
Allein in Deutschland leben Schätzungen zufolge etwa vier Millionen Menschen mit einer Seltenen Erkrankung. Wenn diese Menschen zusammen in einer Stadt leben würden, hätte diese mehr Einwohner als Berlin. Weltweit wird von 263 bis 446 Millionen erkrankten Menschen ausgegangen.
Krankheiten können in verschiedenen Ländern unterschiedlich häufig auftreten: Eine Erkrankung kann in einem Teil der Welt als selten gelten, während sie anderswo verbreiteter ist. Der Großteil der Menschen mit Seltenen Erkrankungen verteilt sich auf wenige Diagnosen. Das bedeutet umgekehrt, dass es viele Erkrankungen gibt, die jeweils nur ganz wenige Menschen auf der Welt betreffen. Ein Beispiel dafür ist die Tuberkulose. In Deutschland gehört sie zu den Seltenen Erkrankungen. Global betrachtet gehört sie aber zu einer der häufigsten tödlichsten Erkrankungen.
Wie viele Seltene Erkrankungen gibt es?
Da keine international einheitliche Definition für Seltene Erkrankungen vorliegt, lässt sich ihre Gesamtzahl nur schwer schätzen. Mehrere Datenbanken dokumentieren zwischen 6000 und 10.000 verschiedene Seltene Erkrankungen.
Experten und Expertinnen gehen davon aus, dass sich die Anzahl der Seltenen Erkrankungen weiter erhöhen wird. Hierfür gibt es mehrere Gründe. Der medizinische Fortschritt in Forschung, Diagnose und Behandlung führt dazu, dass die Wissenschaft neue Seltene Erkrankungen entdeckt. Durch modernere Untersuchungsmethoden erhalten mehr Menschen mit bisher ungeklärten Beschwerden eine Diagnose und können so in den Datenbanken erfasst werden. Gleichzeitig wächst die Weltbevölkerung und damit auch die Zahl der Menschen, die Seltene Erkrankungen entwickeln.
Welche Ursachen haben Seltene Erkrankungen?
Über 70 Prozent der Seltenen Erkrankungen haben eine genetische Ursache. Daneben kommen Einzelfälle von Infektionskrankheiten, Autoimmun-Störungen und Krebskrankheiten vor. Für viele Seltene Erkrankungen sind die Ursachen noch nicht geklärt.
An welchen Beschwerden erkennt man eine Seltene Erkrankung?
Seltene Erkrankungen können sich durch viele verschiedene Beschwerden bemerkbar machen. Es gibt keine spezifischen Symptome, die darauf hinweisen, dass es sich um eine Seltene Erkrankung handelt. Die meisten Seltenen Erkrankungen betreffen mehrere Körperregionen. Es kann aber auch vorkommen, dass nur ein einzelnes Organ betroffen ist.
Welche gemeinsamen Merkmale haben Seltene Erkrankungen?
Obwohl Seltene Erkrankungen sehr unterschiedlich sind, haben Sie auch einige Gemeinsamkeiten:
- Die meisten Seltenen Erkrankungen sind nicht heilbar und begleiten die Betroffenen ein Leben lang. Sie verschlimmern sich im Laufe der Zeit. Menschen mit Seltenen Erkrankungen haben oft eine kürzere Lebenserwartung als gesunde Menschen.
- Mehr als die Hälfte der Seltenen Erkrankungen beginnt in der Kindheit.
- Viele Seltene Erkrankungen bedeuten Einschränkung im Alltag und einen Verlust an Lebensqualität für die Erkrankten. Unter Umständen müssen diese Hilfe von Pflegekräften oder Angehörigen in Anspruch nehmen.
- Menschen mit Seltenen Erkrankungen und auch Angehörige fühlen sich oft seelisch belastet – nicht nur durch die Erkrankung selbst, sondern auch durch den Umgang mit anderen Menschen, Behörden und Versorgern.
- Für viele Seltene Erkrankungen gibt es noch keine Therapie. Meist ist es nur möglich, die Beschwerden zu behandeln.
- Der Weg zur Diagnose und Behandlung ist bei Seltenen Erkrankungen oft schwer und langwierig. Häufig bestehen noch keine geeigneten Versorgungseinrichtungen in Wohnortnähe.
Welche Herausforderungen stellen Seltene Erkrankungen?
Die Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten für einige Seltene Erkrankungen sind in den letzten Jahren deutlich besser geworden. Das wirkt sich günstig auf die Lebenserwartung und die Lebensqualität der Erkrankten aus. Ein Beispiel dafür ist die Mukoviszidose.
Für viele Seltene Erkrankungen bestehen jedoch nach wie vor große Herausforderungen. Die Suche nach der richtigen Diagnose und einer geeigneten Versorgung kann organisatorisch und emotional sehr belastend sein.
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Weg zur Diagnose
Die erste Hürde ist oft schon der Weg zur richtigen Diagnose. Aufgrund ihrer Seltenheit sind viele Seltene Erkrankungen auch unter Ärzten und Ärztinnen kaum bekannt. Dadurch vergehen oft Monate oder sogar Jahre, bevor ein Patient, eine Patientin endlich die richtige Diagnose erhält.
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Lücken in der Versorgung
Ist die Diagnose einmal gestellt, gilt es, eine geeignete Versorgung für die Erkrankten zu finden. Die meisten Seltenen Erkrankungen sind nicht heilbar, sodass die Betroffenen in der Regel dauerhaft auf intensive medizinische Hilfe von verschiedenen Spezialisten angewiesen sind. Diese ist jedoch nicht an jedem Wohnort ausreichend verfügbar. Auch die Koordination von Terminen mit mehreren unterschiedlichen Spezialisten kann eine kräftezehrende Aufgabe sein. Die Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen muss häufig erst geklärt werden. In vielen Fällen gibt es jedoch gar keine zugelassene Therapie. Hier muss nach Behandlungen gesucht werden, für die zumindest ein Nutzen für ähnliche Erkrankungen nachgewiesen ist.
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Auswirkungen auf die Psyche
Menschen mit Seltenen Erkrankungen können sich überfordert und alleingelassen fühlen. In ihrem sozialen Umfeld erleben die Betroffenen oft wenig Verständnis für ihre Probleme und häufig besteht kein Kontakt zu anderen Erkrankten. Eine Seltene Erkrankung kann normale Alltagaktivitäten erheblich schwerer machen. Deshalb können Familienangehörige auch von psychischen Problemen und Isolation betroffen sein.
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Schwierigkeiten in der Forschung
Die Entwicklung von Medikamenten für Seltene Erkrankungen ist mit hohen Ausgaben verbunden. Gleichzeitig fallen die Einnahmen aufgrund kleiner Fallzahlen gering aus. Das ist für pharmazeutische Unternehmen wenig attraktiv. Für viele Seltene Erkrankungen fehlt daher bisher aufgrund mangelnder Forschungs- und Entwicklungsanreize eine medikamentöse Behandlung.
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Begleitung von Kindern und Jugendlichen
Ein großer Teil der Seltenen Erkrankungen beginnt bereits im Kindesalter. Manche Seltenen Erkrankungen können dazu führen, dass die Patienten und Patientinnen schon in jungen Jahren versterben. Eine weitere Herausforderung liegt im Übergang von der Kindermedizin zur Erwachsenenmedizin. Hier ist eine enge Abstimmung zwischen Kinderärzten, dem weiterbehandelnden Erwachsenen-Arzt, Eltern und den betroffenen Kindern wichtig, damit die Versorgung lückenlos weitergehen kann.
Diese Information wurde erstellt von: Pia Gamradt, Johanna Lindner, Jochen Randig, Lisa-Marie Ströhlein (alle Stiftung Gesundheitswissen)
Anlaufstellen für Menschen mit Seltenen Erkrankungen
Verschiedene Anlaufstellen unterstützen Menschen mit Seltenen Erkrankungen und ihre Angehörigen auf dem Weg zur Diagnose und Behandlung:
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Quellen
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Aktualität der Informationen
Dieser Text wurde ursprünglich am 27. Januar 2023 erstellt und wird in regelmäßigen Abständen aktualisiert – zuletzt am 12. Februar 2025. Nächste geplante Aktualisierung: Februar 2026.
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